Lange haben Fans gewartet, dass mit Picard, die Geschichte des Captains der Enterprise weitererzählt wird. 2002 kam mit Nemesis der letzte Film der Crew von Star Trek: The Next Generation in die Kinos und markierte damit das bisherige Ende dieser Zeitlinie.
Bereits in der ersten Folge, die 18 Jahre später ausgestrahlt wurde, zeigt sich, dass der Tenor sich gewandelt hat. Die utopische Grundhaltung von Star Trek, in der Menschen keine Grenzen mehr zu kennen scheinen und sogar Frieden mit anderen Alien-Rassen schließen, scheint einer distopischen Weltsicht gewichen zu sein. Jean-Luc Picard selber klagt das Verhalten der Sternenflotte an. Sie habe in den vergangenen Jahren einen großen, unverzeihlichen Fehler begangen.
Doch bereits in der ersten Szene sieht man, dass der Fokus der Serie anders zu werden scheint. Picard spielt auf der Enterprise mit Data Karten – irgendetwas stimmt nicht: Data ist vor fast 20 Jahren gestorben. Der Dialog der beiden scheint normal – und doch ist alles leicht verschoben. Data zeigt sein Blatt: 5 Königinnen. Jean-Luc Picard reagiert nicht skeptisch. Im Hintergrund sieht man durch die Fenster der Enterprise den Mars in Flammen aufgehen…
Picard erwacht aus seinem Traum und die Serie beginnt mit diesem verzerrten Bild, das zeigt, wie er die Geschehnisse der vergangenen Jahre verarbeitet.
Soweit kann man denken, dass es sich um einen normalen Traum handelt. Aber auch dies ist in Star Trek ein ungewöhnliches Stilmittel. Eher vertraut wäre hier das Holodeck, das einer virtuellen Realität gleicht, doch in der ersten Episode der neuen Serie lernen wir Picards Träume kennen.
In der Bibel gibt es zahlreiche Geschichten, in denen Träume eine Rolle spielen, sei es Jakobs Traum von der Himmelsleiter (Gen 28, 10-22) oder die Träume und Visionen der Propheten und der Offenbarung. Auch die Träume Josefs, die ihn vor der Geburt Jesu nach Ägypten fliehen lassen, sind von enormer Bedeutung (Mt 2).
Während mich der erste Traum von Picard bereits ein wenig an Träume von Propheten des Alten Testamentes erinnert hat, so ist doch der zweite Traum in der gleichen Episode noch beeindruckender, weshalb ich es für lohnend halte, hier die biblische Perspektive mitzubedenken.
Jean-Luc sieht wieder seinen verstorbenen Freund Data – nun in der Gegenwart, in seinem Weingarten. Data malt ein Bild von einer jungen Frau. Noch fehlt das Gesicht. Data sagt Picard, er solle das Gesicht fertig malen. Nachdem er antwortet, dass er nicht wisse wie, wacht er auf.
Später in der Folge wird dieses Bild noch eine wichtige Rolle spielen – Picard hat dies in seinem Traum bereits vorhergesehen. Sein Traum war der wichtige Hinweis, den er nicht anders bekommen konnte.
Im Alten Testament haben sowohl der Pharao als auch Nebukadnezars als bedeutende Menschen ihrer Zeit Träume, von denen sie fühlen, dass sie bedeutsam sind. Doch beide können die Träume nicht erklären und verstehen.
Im Buch Genesis hilft Josef dem Pharao seine Träume, die Gott ihm gegeben hat, zu verstehen – woraufhin Josef sich einen guten Ruf am Hof macht.
Der Prophet Daniel hilft Nebukadnezars Traum zu deuten. Dieser Traum wurde von Gott geschickt, um Nebukadnezar zu warnen und umkehren zu lassen.
Und der König sprach zu ihnen: Ich hatte einen Traum, und mein Geist war unruhig zu verstehen, was der Traum bedeutet. (Dan 2, 3)
Fast scheint es so, als wolle eine höhere Macht Picard dazu bringen aufzustehen und das Unrecht der vergangenen Jahre aufzuarbeiten, wenn man die ganze erste Folge geschaut hat. Alleine Picard kann mithilfe des Traumes einen ersten Schritt gehen, Dinge wieder in die richtige Bahn zu bringen.
In Träumen verarbeiten wir die Erfahrungen unseres Alltags, reflektieren in unserem Unterbewusstsein über Geschehnisse und Zusammenhänge – und wir können auch in unseren Träumen ins Gebet gehen. Uns Gott gegenüber öffnen. Unseren Glauben als Stärke für Bevorstehendes verstehen lernen. Und ja, auch zulassen, dass der Geist Gottes uns vielleicht in die ein oder andere Richtung weist.
Amen.