In einer der Rückblick-Szenen in dieser Episode von American Gods geht der junge Shadow, nach dem Tod seiner Mutter in eine leere Kirche.
Wir sehen, wie er sich in eine Bankreihe setzt, die Hände unsicher zum Gebet faltet.
Seine Hände machen die Szene aus. Er wechselt vom Gebet zu geballten Fäusten – er ist sauer!
Danach macht er verzweifelte Gesten mit den Händen – er kann es nicht glauben, dass seine Mutter tot ist.
Wieder faltet er die Hände – betet weiter.
Am Ende winkt er mit einer Hand einfach ab – Das bringt ihm doch nichts.
Bevor er nun aufsteht und die Kirche verlässt macht er die Hände wieder zu Fäusten – diesmal ist er entschlossen – er weiß seinen Weg, zumindest für den Moment.
Dieses Zwiegespräch ohne Worte ist für mich eine der stärksten Szenen der neuen Staffel bisher.
Ohne ein Wort zu sprechen, sehen wir wie Shadow seine Trauer vor Gott bringt, seine Hilflosigkeit, seinen Zorn, seine Arroganz, aber auch seine Verzweiflung. Und am Ende – auch wenn Shadow keine Antwort gehört hat – hat in der Kirche scheinbar ein Dialog stattgefunden, kein Monolog.
Er konnte seine Gedanken sortieren und sogar wieder ein Stück Sicherheit und Stärke für die kommende Zeit der Trauer finden.
Fast schon ist es ein Klagepsalm, den Shadow hier mit seiner Gestik allein vor Gott bringt.
In der Zeit meiner Not suche ich den Herrn; meine Hand ist des Nachts ausgereckt und lässt nicht ab; denn meine Seele will sich nicht trösten lassen. Ich denke an Gott – und bin betrübt; ich sinne nach – und mein Geist verzagt. (Ps 77, 3-4)
Auch im Psalm 77 werden die Hände als Instrument des Klagens und Betens genannt.
Sprichwörtlich ballen wir die Faust im Zorn und bedecken unser Geischt in Trauer.
Die Klagepsalme sind aber auch über dieses Bild der betenden Hände hinaus als Gattung für eine Situation der Trauer, wie Sie hier beschrieben ist, sehr geeignet:
Jeder Mensch kennt Situationen der Trauer und des Leids. Momente und Phasen, in denen man sich nicht vorstellen kann, dass Gott wirklich bei einem ist – erst recht nicht, dass Gott einen wirklich liebt. Ich finde es unendlich erleichternd, dass auch die Texte der Bibel hiervor nicht die Augen verschlleßen.
Zweifeln und Klagen gehören unbedingt zum Beten und auch zum Glauben absolut dazu.
Wir dürfen Gott anklagen uns beschweren und unzufrieden mit ihm sein. Er wird wahrscheinlich nicht eingreifen, nur weil wir es wollen. Aber er wird dennoch – und gerade dann – bei uns und mit uns sein in unserem Leid. Und das nicht als der unendlich Ferne, sondern auf Augenhöhe, sondern als der Gott, der uns liebt. Diese Zusage kann ein fast unermesslicher Trost sein, wenn man sich allein, verlassen und verletzt fühlt.
Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben. (Ps 34, 19)