Rezension: Westworld S01: „Ich bin die Tür“

Der wilde Westen. Einmal den Kindheitstraum von Cowboys und Indianern ausleben. In der echten Welt, aber ohne Konsequenzen. Das verspricht der Vergnügungspark Westworld in der gleichnamigen Sci-Fi Serie.

Basierend auf dem Buch von Michael Chrichton und der Verfilmung von 1979 handelt die Serie alle Facetten der Menschlichkeit ab.

Menschen, die als Kunden in den Park gehen, sind auf den ersten Blick weder vom Aussehen noch vom Verhalten von den „Hosts“ genannten Androiden, die Westworld bevölkern, zu unterscheiden. Diese haben Handlungen, die sie immer wieder durchleben, bis ein Besucher des Parks mit Ihnen interagiert. Die Androiden können nach Belieben, wie reale Personen reagieren. Sie können Pokergegner sein, Liebschaften oder auch getötet werden. All das ist Teil der Marketingstrategie von dem Park Westworld.

Doch einzelne Androiden haben Fehlverhalten. So kann Dolores sich an Dinge erinnern, die in einem ihrer vorherigen „Leben“ in Westworld stattfanden. Sie findet nach und nach heraus, dass etwas mit ihr und ihrer Welt nicht stimmt.

Der Parkbetreiber und –erfinder Dr. Robert Ford scheint alle dem souverän gegenüberzustehen und beobachtet mit seinem Team das Ganze meist aus einem Steuerungsraum, der an die Truman-Show erinnert. Sein Partner Bernard sieht die Sache skeptischer und macht sich Sorgen um die Implikationen dieser Fehler. Aber handelt es sich wirklich um Fehler, die Dolores und die Prostituierte Maeve zu Erinnerungen verhelfen?

Die Serie entfaltet über mehrere Zeitlinien, die parallel erzählt werden, eine spannende Geschichte, in der vor allem Fragen nach dem Ich gestellt werden. Was macht ein reflektiertes Bewusstsein aus? Können die Hosts lieben und darf man sie verletzen oder töten, wenn sie Gefühle zu haben scheinen?

Letztlich stellt sich der Zuschauer die Frage nach der Seele und nach dem was uns ausmacht.

„Have you ever questioned the nature of your reality?“, werden die Hosts bei der Reprogrammierung nach einem Tod gefragt. Die Androiden sollen nicht Ihre Realität in Frage stellen. Wenn die Antwort verneint wird, ist die Neuprogrammierung fehlerfrei.

In einer der Schlüsselszenen der ersten Staffel wird Bernard von seinem Freund Ford gefragt, ob er die Tür hinten im Raum öffnen könne. Bernard fragt, „welche Tür?“, während er genau darauf sieht. Er kann keine Tür sehen, da es nicht seiner Programmierung entspricht, die Tür würde seine Realität in Frage stellen.

So erfahren wir, dass der menschlichste, empathischste Charakter nur ein weizerer Host ist. Bernard, der zusammen mit Dr. Ford den Park entwickelt hat und nun steuert, ist nur Dr. Fords ursprünglichem Partner nachempfunden und war von Beginn der Serie nur mit seinen einprogrammierten Gefühlen Fords Korrektiv.

Für mich herausragend ist die Metapher der Tür, die die Grenze von Bernards Menschlichkeit aufzeigt. In anderer Form wird auch in Staffel 2 eine Tür die Wahrheit für die Hosts darstellen.

Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden (Joh 10, 9a)

Jesus vergleicht den Glauben an ihn und seine Botschaft mit einer Tür. Das Erkennen der Tür und das Hindurchgehen machen selig.
In Staffel 1 wird mit diesem Bild ganz deutlich, dass Bernard kein Mensch sein kann. Trotz seiner glaubhaften Emotionen ist er Produkt von Programmierleistungen. Sein Bewusstsein ist nicht erwacht. Er kann die Wahrheit nicht sehen, sie nicht akzeptieren, geschweige denn hindurchgehen.

In einer Serie, die so sehr darauf bedacht ist, Verhalten und Emotionen von Hosts und Menschen so nah aneinander wie möglich zu zeigen, die Hosts teilweise nachvollziehbarer darzustellen als die Menschen, ist vieles bis ins Detail durchdacht. Keine Worte zwischen Bernard und Ford und Delores sind rein aus Kurzweil oder zu Unterhaltungszwecken. Beim zweiten Anschauen der Staffel wird deutlich, jedes Gespräch verweist auf die Tür-Szene. Ford hatte alles unter Kontrolle und wollte, dass alles so „eskaliert“, wie es erfolgt ist. Einschließlich der Schlussszene zwischen Dolores und ihm und der Rebellion der Hosts.

Theologisch gibt es weit mehr Anknüpfungspunkte in der Serie. So sind auch der Gottkomplex von Ford, oder das Suchen nach der Wahrheit von Dolores und die Frage nach Realität im Allgemeinen wichtige Elemente der Staffelhandlung und auch hier kann man auf der Suche nach Parallelen und Widersprüchen zu biblischen Texten und Motiven schnell fündig werden. Aber die Sequenz mit der Tür kann ich mir kaum anders als mithilfe des Johanneswortes als Pate in der Gesamthandlung von Westworld erklären.

Die Frauen, die die sozusagen „offene Tür“ am leeren Grab als erste sehen – und somit eine neue Wahrheit erkennen – sind hier mit Maeve und Dolores zwar auch schon auffindbar, jedoch erst in Staffel 2 Hauptbestandteil der Handlung.

Die Menschlichkeit der Hosts, sowie die Frage nach Ihrer Seele ist an die Tür und die damit verbundene Wahrheit gekoppelt. Können Sie eine neue Realität wahrnehmen und als ihre annehmen? Dieses Motiv wird auch in Staffel 2 wieder aufgegriffen und auch daran, denke ich, merkt man, wie sehr die MacherInnen sich mit dieser philosophischen aber auch theologischen Frage nach der Wahrheit und Erkenntnis auseinandergesetzt haben.