Seit Beginn der Serie bin ich ein großer Fan der Serie The Walking Dead. Das war damals, als Zombies noch etwas Neues im Fernsehen waren und streaming noch in den Kinderschuhen war…
Mittlerweile hat sich beides geändert und The Walking Dead lässt quotenmäßig und in der Popularität deutich nach.
Bei allem Kitsch ist es der Serie dennoch in meinen Augen gelungen sogenannte Dilemma-Situationen nahezu zu perfektionieren. Person A hat eine sehr kurze Zeit, um entweder Person B zu retten, aber selber dauerhaft Schaden davonzutragen oder sich eben ohne Rücksicht auf Person B selber unversehrt davon zu kommen.
In der Welt von The Walking Dead gibt es dabei keine göttliche Gerechtigkeit, keinen Tun-Ergehen Zusammenhang, wie ihn weiter Teile des Alten Testamentes kennen. Nein, hier gibt es etwas viel schlimmeres und willkürlicheres:
Menschen!
Im Verlauf der Serie kann in dieser neuen Ordnung, in der Zombies den großen Teil der Weltbevölkerung stellen, müssen die Überlebenen Gesellschaft neu sortieren und etablieren.
Dabei sind Rick, sein Bart und seine Freunde im Fokus des Geschehens. In den ersten Staffeln geht es um – in dieser Welt – noch leicht nachvollziehbare Probleme:
Ist es Mord, wenn man einen Zombie (in der Serie übrigens nie so genannt) umbringt?
Wie umgehen mit Verstorbenen? Soll man diese zu Zombies werden lassen oder zuvor durch eine Stich- oder Schusswunde im Gehirn dies verhindern, aber dafür ein Menschenleben nehmen?
Die Gruppe sucht jedesmal nach einem sicheren Platz zum Leben, ohne die ständige Gefahr der wandelnden Toten.
Nach einiger Zeit lernen sie, die wahre Gefahr stellen nicht die eher langsamen und behäbigen Walker, wie sie genannt werden. Die größte Gefahr sind andere Überlebende.
Nahrung, Benzin, Waffen, sichere Unterkünfte… Das sind umkämpfte Güter.
Wo zunächst der frühere beste Freund von Rick, Shane der absolute Unmensch zu sein scheint, der Ricks Frau für sich haben will, zeigt der Gouvenor erst was menschliche Abgründe sind.
Dennoch schaffen es beide auch durch phantastische Einzelspisoden glaubhaft menschliche Motivationen für Ihr absurd, verzerrtes Handeln zu haben.
Eine Ansammlung von immer schlimmer werdenen Einzelentscheidungen hat sie zu kompromisslosen Überlebenden gemacht. Dies ist auf eine ganz andere Art auch bei dem Pfarrer Gabriel in den späteren Staffeln zu beobachten.
Der zunächst harmlos anmutende Mann, ist auch ein Überlebender – ohne, dass er getötet hat.
Er hat aber in seinen Augen und in den Augen der Gruppe viel Schlimmeres gemacht: Er verschanzte sich in seiner Kirche und ließ die Menschen davor sterben ohne einzugreifen. Gabriel ist seitdem gebrochen. Es braucht mehrere Staffeln, bis er selber einen Weg findet, damit umzugehen und wieder mit anderen Menschen in sicherer Umgebung Stärke im Glauben zu finden – und doch bricht seine allzu menschliche Schwäche immer wieder durch.
Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Mt 25, 40)
Rick und die Gruppe schaffen sich über die Jahre eine sichere Stadt und vernetzen diese mit anderen nahgelegenen Orten. Es scheint Ruhe einzukehren. Doch dann kommt Negan.
Negan ist der Anführer einer Gruppe, die sich The Saviours nennt. Wer nach deren Regeln spielt und Waren und Nahrung an sie abgibt, bekommt Sicherheit. Wer sich weigert, auf den warten drakonische Strafen.
Es ist deutlich, dass Negan das absolute Böse ist.
Doch auch hier ist eine Stärke von The Walking Dead. Die Serie schafft es über mehrere langsam aber, minutiös erzählte Folgen, zu verdeutlichen, dass kein Mensch in dieser Welt mehr „unschuldig“ ist. Ja, mehr noch: Rick ist aus anderer Perspektive mindestens genauso rücksichtslos, wie Negan. Und Negan handelt auch nur so, weil seine Handlungen ein Produkt seiner Erfahrungen sind.
Was kann ein Mensch ertragen, bevor er bricht? Was sind die Dilemmata, die ausreichen alles zu verraten, wofür man steht? Was, wenn Niemand einem Beisteht, der diesen falschen Weg rückmeldet?
The Walking Dead, ist für mich keine Serie über Zombies (auch wenn diese alle paar Episoden noch vorkommen). Es ist eine Serie über die Frage nach Resilienz. Wie schaffen Menschen es, in ausweglosen Situationen weiter zu machen? Selten wird hier auf den Glauben eingegangen – interessanter Weise auch kaum, wenn Samuel dabei ist. Aber nur Sichereit und Nahrung sind für keinen der Charaktere die Ziele. Jede und Jeder in der Serie verfolgt eine Vision. Eine Gemeinschaft, die in Frieden miteinander lebt. Eine Gemeinschaft, in der individuelle Stärken – und auch Schwächen – ihren Platz haben. Der Wiederaufbau von einer Gesellschaft. Nein, im Grunde kein Wiederaufbau – eher ein Neubau, mit besseren Werten.
Spannend ist, dass die Gruppe sich nie von Schwachen Mitgliedern getrennt oder diese gar der Gefahr geopfert hat. Umso häufiger gilt dies für Personen, die bereit waren die Lahmen und Ausgestossenen zu opfern.
Bleibt am Ende eine Maxime stehen, die mehr ist als rein untilitarisch?